In den letzten Wochen gibt es vermehrt Berichte über den geplanten Einsatz von Microsoft O365 an baden-württembergischen Schulen. Susanne Eisenmann, Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg, hat für Ihre Pläne mittlerweile auch den BigBrother-Award 2020 in der Kategorie „Digitalisierung“ erhalten. Es gibt einige Kritikpunkte an dem Vorhaben des Kultusministeriums von unterschiedlicher Stelle. Und auch wir haben uns zu Wort gemeldet und Stellung bezogen. Ich möchte an dieser Stelle nochmals einen kurzen Überblick über das Problem und unsere Position geben.

Das Kultusministeriums Baden-Württemberg prüft, nach eigenen Angaben, „im Zuge der Entwicklung der digitalen Bildungsplattform verschiedene Anbieter und Produkte […]. Dazu zählt auch eine mögliche, datenschutzkonforme Nutzung von Microsoft-Office-365-Werkzeugen für einzelne Bausteine“. 

Es hat jedoch den Anschein, dass die Microsoft-Lösung gegenüber anderen Lösungen präferiert wird. Ob eine datenschutzkonforme Nutzung von Microsoft Office 365 im Schulkontext möglich ist, ist nicht abschließend geklärt. Der Landesdatenschutzbeauftragten Bade-Württemberg, Stefan Brink, hat bedenken und verweist auf „strukturelle Mängel des Produkts Microsoft Office 365“. Auch der Bundesverband der deutschen Datenschutzbeauftragten (BvD) arbeitet intensiv an dem Themenkomplex Microsoft. Es gibt durchaus einzelne Datenschutzbeauftragte, die die Meinung vertreten, dass es möglich sei O365 DSGVO-konform zu betreiben. Aber die Konfiguration und vor allem die notwendige kontinuierliche Betreuung ist aufwendig und sicherlich nichts, was ein Lehrer nebenbei zu seiner eigentlichen Haupttätigkeit leisten kann. Gerade diese Aufgabe kann nicht alleine von den Schulen on-top geleistet werden.

Um die Auswirkungen und Risiken besser beurteilen zu können, sieht die DSGVO eine sogenannte Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) vor. Die Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PwC) führte diese im Auftrag des Ministeriums durch und kommt zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Microsoft kein Problem darstellt. Der Landesdatenschutzbeauftragte beklagt hingegen gravierende Mängel in der vorliegenden DSFA und gibt zu bedenken, dass die Übermittlung personenbezogener Informationen an den US-Konzern zu eigenen Zwecken nicht vollständig unterbunden werden kann. Für eine solche Übermittlung sei aber „keine Rechtsgrundlage erkennbar“.
Einsehbar ist das entsprechende Dokument leider nicht. Eine Anfrage über den Dienst fragdenstaat.de wurde abgelehnt.

Wir sind nicht grundsätzlich gegen Microsoft. Vielmehr geht es um Transparenz der Entscheidungsfindung und um die Frage, ob der Einsatz von Microsoft in öffentlichen Schulen als Grundlage für den digitalen Unterricht richtig ist. Es geht hier um die digitale Souveränität und die Unabhängigkeit von den großen, meist amerikanischen, Konzernen. Gerade in Europa sollten wir die Kompetenz schulen, eigene Lösungen zu entwickeln und unabhängig zu werden von Anbietern aus Ländern, deren Rechtsauffassungen nicht deckungsgleich mit der unseren ist.
Wir sind mit unserem Verein regelmäßig an Schulen unterwegs und sensibilisieren Schülerinnen und Schüler für den Wert ihrer persönlichen Daten. Wir zeigen ihnen Möglichkeiten auf, wie sie ihre Daten schützen und vermitteln ihnen, wie wichtig es ist, die Daten anderer zu schützen. Welches Vorbild geben wir ab, wenn wir Kinder und Jugendliche in ein System zwingen, bei dem wir genau diese Aspekte vernachlässigen und die Diskussion darüber unterbinden? Und wäre es nicht sinnvoll unseren Kindern auch im digitalen Bereich Diversität zu lehren? Alternativen zu den „Großen 5“ (Facebook, Amazon, Apple, Microsoft, und Google)?

Erst kürzlich hat der EUGH nach dem SafeHarbor-Abkommen nun auch das PrivacyShield-Abkommen für ungültig erklärt. Die rechtmäßige Übermittlung von Daten in die USA wird somit weiter erschwert. Die große Sorge ist, dass wir hier flächendeckende Testläufe an Schulen mit echten Daten von Kindern und Jugendlichen durchführen. Und wir stehen mit unserer Kritik nicht alleine: Neben Datenschützern wird das aktuelle Vorgehen auch vom Chaos Computer Club (CCC) und von Organisationen wir Digitalcourage und Digital Souveräne Schule kritisiert. Digitalcourage hat sogar Frau Susanne Eisenmann, Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg, auch den BigBrotherAward 2020 in der Kategorie „Digitalisierung“ verliehen.

Es gibt zahlreiche Schulen, die längst erfolgreich auf OpenSource-Produkte und Lösungen deutscher oder europäischer Anbieter setzen. Diese Lösungsansätze und der Wissenstransfer darüber sollten gestärkt werden. Bei all diesen Lösungen ist zumindest geklärt wo welche Daten liegen, wer Zugriff darauf hat und was konkret mit diesen Daten passiert. Diese Transparenz gibt es bei Microsoft nur bedingt.

Das Thema „Digitalisierung an Schulen“ muss als eine gesamtgesellschaftliches Herausforderung gesehen werden, die nicht von Schulen alleine gemeistert werden kann. Viele Unternehmen, Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen sind bereit, ihr Fachwissen einzubringen. Von zentraler Bedeutung ist auch, dass Schülerinnen und Schüler in diese Prozesse mit eingebunden werden.

Zusammengefasst geht es uns um folgende Punkte:

  • Transparenz der Entscheidungsfindung unter Beteiligung aller betroffenen Gruppen, insbesondere Kinder und Jugendliche, Lehrkräfte und Eltern. Die Landesregierung Baden-Württemberg hat sich klar für eine Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ausgesprochen. Dann sollte das auch bei diesem wichtigen Thema passieren
  • Einhaltung der rechtlichen Grundlagen des Datenschutzes und Offenlegung der Dokumente wie Risiokoanalysen und der Datenschutzfolgeabschätzung (DSFA)
  • Lehre der IT-Vielfalt an Schulen, anstelle einer Fokussierung auf Produkte eines einzelnen Herstellers (Stichwort „Vendor lock-in“)
  • Implementierung einer digital souveränen Lösung, die unabhängig von den großen, nicht-europäischen Konzernen ist.
  • Förderung wirtschaftlich nachhaltiger Lösungen für den Standort Europa

Unser Fazit ist, dass digitales Lernen ein Gesamtkonzept werden muss, bei dem Fachkräfte aller Disziplinen zusammenarbeiten. Die Auswahl einer Software-Lösung kann nur der erste Schritt sein, es sind weitreichendere Innovationen im Bildungswesen notwendig. Zukunftsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Rechtskonformität müssen dabei die Grundlage aller Anstrengungen sein.

Wir sollten uns daher die Zeit nehmen, gemeinsam die funktionierenden Lösungen der Schulen anschauen, die es bereits geschafft haben, den Fernunterricht mit rechtskonformen Tools zu organisieren. Das Argument „wir haben doch keine Zeit“ darf uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht auf einen Weg drängen, bei dem es keine Möglichkeit zur Umkehr gibt. Daher ist diese Grundsatz-Diskussion wichtig. Das dies in der denkbar ungünstigsten Zeit passiert ist bedauerlich aber die Diskussion muss geführt werden.

Mit freundlichen Grüßen,
Daniel Nübling, Vorstand MKT

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